Interviewfragen zur Ringvorlesung an Andrea Polaschegg

Aus welchem Anlass heraus beschäftigen Sie sich mit dem Thema „Schreiben“ und welche Rolle spielen dabei mediale/kulturelle Veränderungen?

Mit „Schreiben“ beschäftige ich mich so gut wie gar nicht, mit „Künsten und Kulturen der Schrift“ dagegen seit gefühlt 20 Jahren. Das rührt sicher auch von meinem Arabisch-Studium her. Denn wenn man sich in ein anderes Schriftsystem einarbeitet, verliert auch die vertraute Schrift ihre Selbstverständlichkeit, und es beginnt fast automatisch Auseinandersetzung mit den Eigengesetzlichkeiten dieses Mediums und seines Gebrauchs. Und da unsere Gesellschaft gerade eine wahre Manie des Schriftgebrauchs entwickelt (Chats, Blogs, Mails, Social-Media-Einträge, Kurznachrichten aller Art), während die Zahl der funktionalen Analphabeten die 4-Millionen-Grenze längst überschritten hat, ist diese Auseinandersetzung relevanter und notwendiger denn je.
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Wie beurteilen Sie die Bedeutung von Schreib- und Leseszenen im Kontext Ihrer Forschung/Ihres Vortrags?

Mein Vortrag befasst sich mit dem Kulturphänomen der unlesbaren Schriften (s.u.). Und in meiner aktuellen Forschung zur Medienpoetik des Textes bemühe ich mich, literarische Texte als materiale und mediale Instanzen zu konturieren, die bestimmte Lektürepraktiken provozieren und steuern. Diese Praktiken „Leseszenen“ zu nennen, klingt zwar gut, steht aber quer zu meinem medien-, gebrauchs- und texttheoretischen Zugriff.
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Worauf deutet für Sie der Vorlesungstitel „Schreiben als Ereignis“ hin?

Er deutet auf das Moment des Unverfügbaren und Unkalkulierbaren hin, das der Praxis des Schreibens eignet, mithin auf einen – produktiven oder auch destruktiven – Überschuss, den jeder Schriftgebrauch grundsätzlich zeitigt.
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Sehen Sie Verbindungen/Gegensätze zwischen Ihrer Forschung und der „Bibliothek der unlesbaren Zeichen“/der „Skripturalen Methode“?
Für eine Medientheorie der Literatur, wie ich sie gerade entwickle, liegt das Faszinierendste der „skripturalen Methode“ darin, dass Axel Malik nicht einfach Schrift produziert, sondern tatsächlich unlesbare Texte schreibt, die als Texte einen Anfang und ein Ende haben – und dass dieser Textcharakter trotz der Unlesbarkeit seiner Schrift(en) sofort erkennbar ist und unsere Wahrnehmung seiner Schriftflächen bestimmt.
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In welchem Verhältnis stehen Phänomene der (Un)lesbarkeit zu Ihren Überlegungen?

In meiner aktuellen Forschung steht die Lesbarkeit, also die Lektüre als Gebrauchsfunktion von Texten im Zentrum, die – abhängig von der Gattung und der Gestaltung der Texte – unterschiedliche Wahrnehmungswege einschlägt. Der Vortrag formuliert dagegen Paralipomena zu einer Kulturgeschichte der unlesbaren Schriften, die ich irgendwann gerne auf- und ausarbeiten möchte und von der ich denke, dass sie den entscheidenden Resonanzraum für Axel Maliks „Bibliothek der unlesbaren Zeichen“ bildet.
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Hätten Sie eine persönliche Frage an den Künstler?

Ja, aber die hat er mir schon beantwortet: Woher stammt sein Nachname „Malik“ (arabisch: „König“)?