Interviewfragen zur Ringvorlesung an Georg W. Bertram

Aus welchem Anlass heraus beschäftigen Sie sich mit dem Thema „Schreiben“ und welche Rolle spielen dabei mediale/kulturelle Veränderungen?

Der Anlass ist im Moment die Ringvorlesung. Allerdings spielt die Frage, wie man Kunstwerke als unlesbare Schriften verstehen kann, in meiner Arbeit der letzten Jahre durchweg eine Rolle. Schrift hat mich auch im Rahmen meiner sprachphilosophischen Arbeiten intensiver beschäftigt.
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Wie beurteilen Sie die Bedeutung von Schreib- und Leseszenen im Kontext Ihrer Forschung/Ihres Vortrags?

Schreib- und Leseszenen sind für mich in erster Linie mit Fragen im Rahmen der ästhetischen Theorie relevant (das wird auch in meinem Vortrag zum Ausdruck kommen): Was heißt es, dass bei der Produktion von Kunstwerken Konfigurationen entstehen, die in gewisser Hinsicht unlesbar/unverständlich sind? Welche Bedeutung hat eine solche Unlesbarkeit/Unverständlichkeit und inwiefern ist sie Ziel des künstlerischen Schaffensprozesses? Komplementär gilt für die ästhetische Rezeption als einer Leseszene die Frage, inwiefern hier Momente von Unlesbarkeit wichtig und produktiv sind.
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Worauf deutet für Sie der Vorlesungstitel „Schreiben als Ereignis“ hin?

„Schreiben als Ereignis“ besagt für mich, nach einem irreduziblen Moment von Schrift zu fragen. Es liegt ja erst einmal nahe, die Schrift als ein bloßes kulturelles Hilfsmittel in Bezug auf die gesprochene Sprache zu verstehen. Inwiefern ist sie mehr als das? Als Ereignis der Schrift verstehe ich das eigenständige Moment der Schrift. Dieses eigenständige Moment liegt darin, dass Schrift die Sprache und das menschliche Verstehen – so will ich hier einmal etwas abkürzend sagen – zu strukturieren und zugleich herauszufordern vermag.
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Sehen Sie Verbindungen/Gegensätze zwischen Ihrer Forschung und der „Bibliothek der unlesbaren Zeichen“/der „Skripturalen Methode“?

Aus den Antworten auf die ersten drei Fragen wird sicher deutlich, dass ich Verbindungen zwischen meiner Forschung und der „Bibliothek der unlesbaren Zeichen“ sehe. Ich begreife die Bibliothek und die mit ihr verbundene Methode als eine künstlerische Reflexion auf Kunst.
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In welchem Verhältnis stehen Phänomene der (Un)lesbarkeit zu Ihren Überlegungen?

Phänomene der Lesbarkeit sind für die Philosophie von elementarer Bedeutung. Der philosophische Diskurs ist von Grund auf lesbare Texte angewiesen. Zugleich aber berührt sich die Philosophie auch mit der Kunst darin, dass Texte in der Philosophie eine starke Eigenständigkeit haben können, die zumindest mit gewissen Momenten von Unlesbarkeit verbunden sein kann. Künstlerischen Phänomenen kommt ein hohes Maß an Unlesbarkeit zu. Dabei scheint es mir entscheidend, aus der entsprechenden Unlesbarkeit nicht zu folgern, dass es in der Auseinandersetzung mit Kunstwerken nichts Bestimmtes zu verstehen gibt. Die Unlesbarkeit ist hier mit anderen Formen des Verstehens verbunden, die es genauer zu erkunden gilt, um zu begreifen, inwiefern es in der Kunst nicht nur zu einem Abbruch von Lesbarkeit kommt.
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Hätten Sie eine persönliche Frage an den Künstler?

Mich interessiert unter anderem die Frage, welche Erfahrungen von Lesbarkeit und Verstehen Axel Malik im Rahmen des Schaffensprozessen zu Arbeiten seiner „Bibliothek der unlesbaren Zeichen“ macht. Inwiefern gibt es im Schreibfluss bestimmte Erfahrungen von Flüssigkeit, von Abbruch, von Fröhlichkeit, von Niedergeschlagenheit und anderem?

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